Das „Richtige Verzeichnuß“ – die jährliche Buchführung der evangelischen Totengräbermeister

Das „Richtige Verzeichnuß“ – die jährliche Buchführung der evangelischen Totengräbermeister

Aus den Schätzen des Evangelisch-Lutherischen Kirchenarchivs Augsburg: Archivalie des Monats | November 2021

Genau 300 Jahre alt ist das „Richtige Verzeichnuß“ in unserem Dekanatsarchiv. Es dokumentiert die evangelischen Sterbefälle des Jahres 1721. Was ist über die Menschen bekannt und wie ging man damals mit dem Tod um? Als historische Quelle enthält das „Richtige Verzeichnuß“ viele interessante Informationen.

Wie in zahlreichen anderen Orten veröffentlichten auch die evangelischen Augsburger Totengräbermeister im 18. und 19. Jahrhundert jährlich ein Verzeichnis aller verstorbenen Personen. Im Evang.-Luth. Kirchenarchiv sind viele Jahrgänge zwischen 1700 und 1892 erhalten. Dank Angaben zu Alter und Familienstand schätzen diese kleinen Hefte nicht nur die Familienforscher, sondern auch die Historiker als eine wichtige Quelle.

Verzeichnis für den November 1721

Das Datum bezieht sich auf den Tag der Beisetzung, die Symbole stehen für den jeweiligen Wochentag. Im November vor 300 Jahren gab es z.B. 31 Beerdigungen. Nur neun der Verstorbenen waren Erwachsene, der jüngste mit 21 Jahren war Johann Georg Rembshard, der Sohn eines Drechslers, der älteste ein Insasse des Hl-Geist-Spitals mit 79 Jahren. In elf Fällen handelt es sich um Kinder bis zu einem Jahr, weitere elf wurden nur zwischen ein und acht Jahre alt. Mit dieser Verteilung ist der November 1721 typisch für die Mortalitätsstruktur in der Frühen Neuzeit. 

Knäblein und Töchterlein - viele Kinder starben

Bei den Kindern wurde in der Regel auch der Name des Vaters genannt, selbst dann wenn er bereits verstorben war. So heißt es auch im Eintrag vom 6. November, einem Donnerstag: “Ein Knäbl[ein] Johann Fr[riedrich] im 5. Jahr / der Vatt[er] seel[ig] Gabriel Haim/Riemer / u.“ Bei unehelichen Kindern beschränkte man sich stets auf die Nennung des Vornamens, Hinweise auf die Eltern fehlen.   

Die Einträge enden alle mit dem Kürzel für den Begräbnisort. Die Abkürzung „u.“ steht für den sogenannten Unteren Friedhof, auch Friedhof bei St. Stephan genannt, den die Stadt 1495 am Luginsland anlegen ließ, um vor allem den Domfriedhof zu entlasten. Nach 1600 wurde er nur noch von den Protestanten genutzt. Da er innerhalb der Stadtmauer lag, wurde er 1806 auf Anweisung der bayerischen Behörden geschlossen, denn in der Aufklärung galten Friedhöfe innerhalb der Stadt als Gesundheitsrisiko. Der Obere Friedhof, abgekürzt „ob.“ heißt heute schlicht Protestantischer Friedhof. Nur die Bestattung des kleinen Tobias Anton Miller fand am 2. November in St. Anna statt.

Eine Leichenpredigt musste man sich leisten können

Für einige der erwachsenen Verstorbenen ließen die Angehörigen vom Pfarrer oder Diakon auch eine Leichenpredigt halten. In diesen Fällen wurde auch der Spruch im Verzeichnis vermerkt. Am 9. November hielt z.B. der Pfarrer Andreas Degmeyr für die mit 62 Jahren verstorbene Schneiderin Anna Maria Huberin eine Predigt zum berühmten 23. Psalm.

Der Totengräber Johann Georg Lang bevorzugte offenbar die phonetische Schreibweise der Nachnamen. Denn der letzte Eintrag im November nennt als Vater des acht Tage alten Kindes Gottlieb „Joh[ann] Franz Schenio, Catton-Drucker“. Dabei handelt es sich um den aus Genf zugewanderten Johann Franz Gignoux, einer der bedeutendsten Kattundrucker in Augsburg und  Schwiegervater der heute noch bekannten Anna Barbara Gignoux, geb. Koppmair, die am 14. September 1796 auf dem Unteren Friedhof ihre letzte Ruhe fand.

Auf der letzten Seite veröffentlichten die Totengräber noch eine Jahresstatistik. Mit 31 Begräbnissen zählte der November 1721 zu den ruhigen Monaten, Spitzenreiter in diesem Jahr waren April und Mai mit 46 bzw. 67 Toten.

(Text: Dr. Barbara Rajkay)