"Kirchenmusik halte ich heute für wichtiger denn je"

"Kirchenmusik halte ich heute für wichtiger denn je"

Christian Barthen folgt Michael Nonnenmacher als Kantor in der Augsburger St. Anna Kirche

(29.02.2020 Ralf Schick /epd) Am 1. März tritt der erst 35-Jährige und schon vielfach ausgezeichnete Kirchenmusiker Christian Barthen seine neue Stelle bei der evangelischen St. Anna-Gemeinde in Augsburg an. Er übernimmt die A-Kantorenstelle und folgt damit auf Michael Nonnenmacher, der im Januar in den Ruhestand verabschiedet wurde. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) erzählt der Musiker, was ihn an seinem Beruf und an der Fuggerstadt fasziniert.

Herr Barthen, Sie wechseln vom württembergischen Giengen nach Augsburg, was sind Ihre Pläne?
Christian Barthen: Nun, ich bin vor allem dankbar und freue mich sehr auf meine neuen Herausforderungen und Aufgaben. Dabei bin ich mir der besonderen Verantwortung, der ich mich stellen darf, durchaus bewusst - denn die Kirchenmusik von St. Anna hat einen sehr hohen Stellenwert und eine Wirkung in die ganze Stadt und darüber hinaus. Ganz besonders freue ich mich schon auf das Musikmachen mit meinen wunderbaren Chören. Und eines meiner Anliegen ist natürlich auch, meine große Leidenschaft für die Orgel zu teilen.

Bei Ihrem Eröffnungskonzert spielen Sie die drei großen Orgelwerke von Franz Liszt (1811-1886). Was verbinden Sie mit dem großen Musiker?
Barthen: Ich beschäftige mich ja schon seit einiger Zeit mit der Orgel und ihrer Musik. Mein Fokus richtet sich dabei in die gesamte stilistische Breite, vor allem aber auf Namen und Werke von zentraler Bedeutung. Liszt ist einer der wichtigsten Komponisten überhaupt und seine Orgelmusik zählt zum Besten, was unser Repertoire zu bieten hat. Sicherlich ist dieses Programm für einen Hörer nicht ohne Anspruch - trotzdem bin ich davon überzeugt, dass es keiner Vor- oder gar Fachkenntnis bedarf, um sich davon begeistern und mitreißen zu lassen.

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Sie sind auch Bach-Fan - was verbindet Sie mit Bach?

Barthen: Ja, Johann Sebastian Bach ist der Komponist, mit dem ich mich am intensivsten und am ganzheitlichsten auseinandergesetzt habe. Als Kirchenmusiker befinde ich mich ja in der glücklichen Situation, dass ich auch Musik abseits der Orgel machen kann. Und so habe ich in den vergangenen Jahren eine Vielzahl der Werke Bachs studiert und aufgeführt - etwa das Weihnachts-Oratorium, Kantaten und Vokalwerke, Orchestersuiten, Brandenburgische Konzerte, die Kunst der Fuge, die Goldberg-Variationen, Cembalokonzerte, etc. - und dadurch ein sehr umfassendes Bild und hoffentlich auch Verständnis entwickeln können.

Warum haben Sie sich für Augsburg entschieden?
Barthen: Für meine Arbeit benötige ich primär eine schöne Orgel und einen guten Chor - darüber hinaus ist es eigentlich unerheblich, ob ich in einer Klein- oder Großstadt, in einer Kapelle oder Kathedrale wirke. Zumindest ergeben sich aus diesen Äußerlichkeiten keine Konsequenzen für meinen persönlichen Anspruch oder meine Arbeitsqualität. Als Kulturanbieter, der ich ja auch bin, ist es ein wenig anders: Das Profil eines Standortes und eine entsprechende Infrastruktur können unbedingt einen Einfluss auf das Gelingen von Dingen haben …

Die da wären?
Barthen: Besonders wichtig ist mir ein gutes kollegiales Umfeld und Gleichgesinnte, die Projekte unterstützen und mittragen oder Ideen und Visionen teilen. Eine konkrete Aufgabe wird für mich demnächst ja auch darin liegen, das Orgelneubau-Projekt, das für St. Anna angedacht ist, weiter zu entwickeln und voranzutreiben. Augsburg ist eine fantastische Adresse, mit einer großen Kulturszene.

Welchen Stellenwert hat Kirchenmusik heute?
Barthen: In einer Zeit, in der unsere Kirche stetig schrumpft und um ihren Platz im Alltäglichen zu ringen hat, halte ich die Kirchenmusik heute für wichtiger denn je. Ich bin davon überzeugt, dass gute Kirchenmusik eines unserer Hauptmittel ist, Menschen mit Glauben und Kirche in Kontakt zu bringen und zu halten - für mich liegt in dieser Überzeugung eine wesentliche Motivation für meine Tätigkeit. Besonders auch in Konzerten habe ich vielfach erleben dürfen, dass es in unserer schnelllebigen und manchmal inflationären Welt wohl eine hohe Sehnsucht nach Substanziellem gibt - und auch nach Spiritualität!

Wie sollten Nachwuchsmusiker gefördert werden?
Barthen: Allgemein kann ich das gar nicht einschätzen. Nachwuchsförderung ist jedenfalls etwas ganz Wichtiges und ich selbst bin immer wieder auch sehr leidenschaftlich als Pädagoge tätig. Ich versuche dabei mit Schülern oder Studenten sehr konzentriert und genau zu arbeiten und durch mein eigenes Musikmachen eine Orientierung zu sein. Natürlich ist Förderung bei Musikern immer etwas Individuelles und kann sehr unterschiedlich aussehen. Es verhält sich im Bereich der Musik aber ähnlich wie bei den Sprachen: Man kann sie sich letztlich nicht beibringen lassen, sondern man muss sie selbst erlernen.