Jüdisch-Christliche Gemeinschaftsfeier im Dom

Jüdisch-Christliche Gemeinschaftsfeier im Dom

(pba) Zum Abschluss der „Woche der Brüderlichkeit“ haben sich am 14. März Vertreter von Judentum und Christentum im Augsburger Dom zu einer Gemeinschaftsfeier versammelt. Als Gastgeber begrüßte Bischof Dr. Bertram Meier neben dem Rabbiner Dr. Tom Kučera, dem evangelischen Regionalbischof Axel Piper auch Gamai Josef Strzegoswski von der Israelitischen Kultusgemeinde sowie Dr. Margaretha Hackermeier von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Die bundesweite Woche stand heuer unter dem Jahresthema „… zu Eurem Gedächtnis: Visual History!“

Woche der Brüderlichlichkeit | Dom Augsburg, Foto: N. SchnallZur Erinnerung an die Heilstaten Gottes sei unser Jahreskreis geprägt von immer wiederkehrenden Festen, in denen wir uns unserer Abhängigkeit von ihm bewusst würden, betonte Bischof Bertram zur Begrüßung. „Ja, wir hängen an IHM, aber nicht wie an einer langen Leine oder einem kurzen Gängelband, sondern mit jeder Faser unseres Herzens, mit jedem Atemzug, der uns zum Leben verhilft, und mit jedem Augenblick, der uns eine Spur seiner Herrlichkeit sehen lässt.“ Daher lud der Bischof dazu ein, auch bei dieser Feier der Gegenwart Gottes gewahr zu werden, innezuhalten und uns SEINER zu erinnern.

Rabbiner Dr. Tom : "Woran sollen wir uns erinnern?

Rabbiner Dr. Tom Kučera, Foto: N. SchnallAuch Rabbiner Dr. Tom Kučera von der Jüdischen Gemeinde Beth Shalom in München fragte in seiner Ansprache, woran wir uns erinnern sollen. Seine Antwort: „Einerseits, dass wir für uns da sind, im Rahmen unserer Religionsgemeinschaften, andererseits, dass wir für die anderen da sind, die nicht zu uns gehören.“ Eine Gratwanderung zwischen Universalismus und Partikularismus, die im Judentum Woche für Woche im Kiddusch, dem Gebet für die Segnung der Schabbat-Zeit, zum Ausdruck gebracht werde. Die Erinnerung an die Schöpfung sei das Universale, die an den historischen Auszug der Israeliten das Partikulare, so der Rabbiner.

Er rief dazu auf, dass alle diese Gratwanderung zwischen einer allgemeinen Spiritualität - sogar über jede Religion hinaus - und der eigenen religiösen und bewusst gepflegten Identität wagen sollten. Denn im Universalismus verlören wir das bereichernd Besondere, im Partikularismus hingegen verachteten wir das allgemein Ansprechende. „Darum tanzen wir zwischen beiden Ecken des Tanzraumes und versuchen, in dessen Mitte zu bleiben“, forderte der Rabbiner die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Gemeinschaftsfeier auf, sich auch in Zukunft an diesen Tanz zu erinnern.

Regionalbischof Piper: "Möge unsere Begegnung mit der Vergangenheit und unsere Erfahrungen in der Gegenwart Segen bringen für unsere Zukunft.“

Am Ende der Feier spendete Regionalbischof Piper den aaronitischen Segen, den Rabbiner Kučera mit folgenden Worten einleitete: „Möge unsere Begegnung mit der Vergangenheit und unsere Erfahrungen in der Gegenwart Segen bringen für unsere Zukunft.“ Dieser Segen am Schluss des Gottesdienstes mache bei aller Verschiedenheit deutlich, dass unsere Gottesdienste jüdisches Erbe beinhalten, sagte Regionalbischof Piper. In den Psalmen, im Sanctus, beim Hosianna und Halleluja und eben vor allem im aaronitischen Segen seien die Religionen in besonderer Weise verbunden, ohne dass es explizit erwähnt werde. „Die Verbundenheit vollzieht sich, wie sich der Segen selbst vollzieht.“

Musikalisch gestaltet wurde die Feier vom Cellisten Professor Julius Berger, Domkantor Dr. Julian Müller-Henneberg an der Orgel und Julia Menacher, die zum Abschluss „O Freunde, dass der Mandelzweig“ des jüdischen Schriftstellers Ben Chorin sang.

Anstelle der traditionellen Schlussfeier im Goldenen Saal des Rathauses haben die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Augsburg und Schwaben und die Stadt Augsburg in diesem Jahr gemeinsam einen Videobeitrag produziert. Das Jahresthema „... zu Eurem Gedächtnis: Visual History“ will zum Nachdenken darüber anregen, wie heute Erinnerungsarbeit und Gedenken gestaltet werden können, um auch künftig aussagekräftig zu sein und Spuren zu hinterlassen. Während früher Geschichte „geschrieben“ wurde, steht heute die visuelle Vermittlung im Mittelpunkt.

(epd) Die "Woche der Brüderlichkeit" ist eine Initiative der mittlerweile über 80 deutschen Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Die ersten Gesellschaften entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg in der damaligen amerikanischen Besatzungszone. Nach dem US-Vorbild einer institutionalisierten Zusammenarbeit von Christen und Juden sollten sie Antisemitismus vorbeugen. Die erste bundesweite "Woche der Brüderlichkeit" fand 1952 statt und wurde mit einer Rundfunkansprache des damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss eröffnet.

Die christlich-jüdischen Gesellschaften wenden sich gegen alle Formen von Judenfeindschaft, religiösen Antijudaismus, Antisemitismus, Antizionismus, Rechtsextremismus sowie Diskriminierung aus religiösen, weltanschaulichen, politischen, sozialen und ethnischen Gründen.